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Über die Ausstellung. Von Wolfgang Waldmann. Eine Herausforderung ist es immer. Diese ist es ganz besonders. Ähnlich war es 1967 auf der Neubrückstr. 12 in Düsseldorf. Das war in der Galerie Konrad und Dorothee Fischer. Damals auch nicht viel geräumiger als ein vergrößerter Schuhkarton. Der hat dann Kunstgeschichte geschrieben. Heute auf der Kirchstr. 41 in Düsseldorf. Auch hier ein Raum, so tief wie hoch, so schmal wie eine Garage. In seiner Schmucklosigkeit und lieblosen Dürftigkeit muss er auf die beiden ausstellenden Künstlerinnen ganz und gar nicht einladend gewirkt haben. Sie haben die Herausforderung angenommen. Schon mit knapp über zehn Besuchern ist der Raum gefüllt, deshalb tummelt es sich vor und hinter dem Eingang. Aber die beharrliche männliche Stimme kommt von oben, rhythmisch im Vortrag und zuweilen zerrissen in der Syntax. Von innen wie ein Antworttext eine weibliche Stimme. Kein Gespräch, eher ein gegenseitiges Abtasten, im Loop. Eine Stimmeninstallation von Denis Winter. Außen und Innen. Der architektonisch äußerst begrenzte Raum kann dem akustischen Raum keine Grenzen setzen. Am Angelpunkt zwischen Außen und Innen gibt der Stimmen-Ton dem optisch unbedeutenden Eingang eine Gewichtung: Unwillkürlich verharre ich und lasse mich ein. Im doppelten Sinne. Einlassung ist gefordert. Denn hineinstürmen würde heißen, mit wenigen Schritten schon am Ende des Raums angelangt zu sein, darauf achtend, nicht über die am Boden sich hinziehende Installation von Hannah Schneider zu stolpern. Dann wäre der Raum nicht mehr als nur drei kahle, ehemals weiße Wände, ein ungewöhnlich langer Heizkörper, noch nicht abgeschlagene Küchenfliesen, Steckdosen, vorspringende Wandteile. Der Raum wäre in seiner Belanglosigkeit im besten Falle abweisend. Einlassung also ist gefordert. Langsame Annäherung. Zögerndes Gehen. Schräg am Boden liegende Spiegelelemente lenken den Blick in scheinbar geheimnisvolle Tiefen-Räume, die doch nur – man weiß es ja – die kahlen Wände spiegeln, die Kannten und Ecken. Und doch – durch die eigene Bewegung in Gang gesetzt – entstehen Ansichten und Einsichten, die ein eigenes Leben zu entwickeln scheinen. Hannah Schneider hat eine Art Spiegel-Parcours angelegt, mit und gegen die Raumrichtung. Zudem wechselt die Neigung der Spiegel. Der Wahrnehmungs-Raum verändert sich und mit ihm der Ausstellungs-Raum. Herausforderung? Die Künstlerin schlägt zurück: sie entreißt ihm die hohen kalten Decken-Neon-LichtRöhren und schmiegt sie wie spielerisch an den Spiegelweg, auf den dunklen Steinboden. Diesem gibt das Licht nun eine eigene schimmernde Tiefe. Dieser auf den ersten Blick so kahle und nichtssagende Raum ist unmerklich zu einem geheimnisvollen Seh- und Hör-Raum geworden. Die Ausstellungsbesucher sind längst Teil dieser Spiegelungen und Verwandlungen, ihre Stimmen scheinen Teil der Toninstallation geworden zu sein. Als reiche dies aber noch nicht, fügt Hannah Schneider ein Entscheidendes hinzu: Dem Eingang gegenüber, an das andere Ende dieses Licht-SpiegelRaums stellt sie eine schwarze Spiegelfläche. In ihr findet dieser Raum seinen Gegen-Raum. Alles ist da, doch hinein in eine dunkle Tiefe getaucht, wie ohnmächtig matt und doch machtvoll. Es spricht für das Konzept der beiden Künstlerinnen, dass sich die Wirkungen ihrer Arbeiten nicht im ersten Betrachten und Hören erschöpfen. Vielmehr erlebe ich den umgekehrten Effekt: Je länger ich mich einlasse, desto sprechender ist dieser kleine Ausstellungsraum. Sprechend auch in einem konkreten Sinn: Denise Winter hat eine ihrer poetischen Arbeiten aufgeschrieben und schlicht gerahmt. Dieses ‚Text-Bild’ – die einzige Wandarbeit in der Ausstellung – zielt auf Lesbarkeit und verweigert sich ihr doch. Es entstehen auch hier Teil-Einsichten, die ihr Ganzes erst der je unterschiedlichen Wahrnehmung abringen. Das zu meinen Wahrnehmungen der Reflektionen. Sie drängen zu Reflexionen. Hannah Schneider setzt die Spiegelelemente nicht zum ersten Mal ein. Es spricht für die Stärke des Konzepts, dass ihr die Umsetzung auch hier in verblüffender Frische gelingt. Denn hier, ohne die bislang großartigen Raum-Kontexte wie in Siegburg oder Füssen, wo durch die am Boden hingeneigten Spiegel ein wundersames Vervielfältigungs-Puzzle entstehen konnte, hier also geschieht etwas ganz anderes: Die scheinbare Rückverwandlung des dreidimensionalen Raums in ein scheinbar zweidimensionales Boden-Bild. Und erst in diesem Bild, das immer wieder ein neues Bild ist, gewinnt Hannah Schneider dem an sich langweiligen Raum Vielgestaltigkeit ab. Und sie ermöglicht – quasi en passant und unvermutet – einen ErkenntnisEffekt: Der in seinen einfältigen Formen überschaubare (Ausstellungs-) Raum, also das scheinbar Bekannte, erscheint nun als ein Fremdes. So verstanden liest sich das gerahmte Poem von Denise Winter ebenso wie eine Metamorphose: In der Auflösung der vertrauten Lexik werden Spielräume für Verwandlungen eröffnet
Ausstellungsansichten:
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